Dienstag, 14. Juni 2011

Kapitel 2 zu "Take me anywhere but here..."

Coming back for more...

Zuerst sah es so aus, als würde er mich so schnell wie möglich wieder loswerden wollen, doch ein freundliches Aufflackern in seinen Augen zeigte mir, dass er seine Meinung geändert hatte. „Ähm, vielen Dank. Aber solange du keine Eisenzange dabei hast, kannst du mir nicht helfen.“ Betrübt wies er auf sein Fahrradschloss, dass sich ganz offensichtlich nicht öffnen ließ.
Interessiert kam ich ein Stückchen näher und betrachtete nachdenklich das Eisenschloss.
Es ist ein eher älteres Modell...“ Peinlich berührt rieb er sich erneut den Nacken, winkte dann jedoch ab. „Dann gehe ich eben zu Fuß. Ich denke sowieso nicht, dass irgendjemand mein Fahrrad stehlen wollen würde.“
Unsicher was ich erwidern sollte, lächelte ich und zuckte zusammen, als ich eine bekannte Stimme hinter mir vernahm. „Na, wen haben wir denn da? Der Spaßvogel, der sich keinen Regenschirm leisten kann.“ Ein blonder, hoch gewachsener Mann blieb neben mir stehen, musterte zuerst Edward abwertend und anschließend seinen Drahtesel. „Tja, ein ordentliches Fortbewegungsmittel ist anscheinend auch nicht drin.“ Die Lachsalve, die darauf folgte war mehr als nur unpassend.
Als er daraufhin mich wohlwollend beäugte, blieb mir vor Schreck beinahe ein Frosch im Hals stecken. „Guten Abend, hübsche Lady. Ihr wollt doch nicht tatsächlich Zeit mit dieser... unpassenden Gesellschaft verbringen? Wenn ich euch wohl nach Hause fahren dürfte?... Ach, und übrigens, ich bin kein geringerer als James de Gramont, Herzog von Gramont. “
Es hätte nicht mehr allzu viel gefehlt und ich hätte begonnen zu würgen. Die einzige „unpassende“ Gesellschaft, die ich hier sah, war doch wohl er. „Danke, aber... nein. Ich..., mein Vater wird mich abholen.“ Ich betete, dass das unsichere Lächeln, dass daraufhin folgte von ihm nicht missgedeutet wurde.
James schmunzelte gekünstelt und ließ seine Hand über meine Schulter gleiten, die ich ihm sofort wieder entzog. „Ich mag es, wenn Frauen ein wenig widerspenstig sind. Das macht die Sache gleich viel... aufregender. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder, hübsche Lady.“ Mit einem triumphierenden Lachen wandte er sich um und verschwand in Richtung der Hauptstraße.
So ein Vollidiot...“, zischte ich und wollte meine Aufmerksamkeit erneut Edward zuwenden, doch dieser war verschwunden. Sein Fahrrad stand noch immer an derselben Stelle, vom Besitzer fehlte jedoch jede Spur. „Merkwürdig.“
Da mein Vater mich, hingegen dem, was ich James erzählt hatte, nicht abholen würde, musste ich mich beeilen. Es war mittlerweile dunkel geworden und die Tatsache, dass ich noch einen weiten Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen müsste, trieb mir einen Schauer über den Rücken. Um mich zu beruhigen dachte ich an die Pfefferspray-Dose in meiner Handtasche, die mir mein Vater bei meinem Umzug nach New York zugesteckt hatte.
Da ich nicht mehr Zeit als nötig verschwenden wollte, zog ich mir die Kapuze erneut ins Gesicht und eilte nachhause.

Mit einem unangenehmen Knarren sprang die Tür zu meinem 1-Zimmer Apartment auf. Es war nicht sonderlich groß, doch es müsste für die ersten Monate reichen, denn obwohl mein Vater mir angeboten hatte, mir finanziell auszuhelfen, wollte ich nicht, dass er auf seinen Notgroschen zurückgreifen musste. Ich war schließlich diejenige, die Ärztin werden wollte, also würde ich auch die Verantwortung dafür übernehmen müssen.
Seufzend hängte ich meine triefend nasse Jacke über das Waschbecken meines 3m² Badezimmers und streichelte im Vorübergehen meinen Kater „Batman“, der sich wie gewohnt auf meinem Bett räkelte. „Na du, dein Leben würde ich gerne haben. Den ganzen Tag nur faul herumliegen.“, flüsterte ich ihm zu. Trotz meines Geldmangels wollte und konnte ich nicht darauf verzichten ihn nach New York mitzunehmen. Nach der Scheidung meiner Eltern war er der Einzige gewesen, dem ich meine Geheimnisse und Sorgen anvertrauen konnte.
Automatisch fischte ich eine der Dosen mit dem Katzenfutter aus den klapprigen Küchenschränken und stellte das Futter an Batmans gewohnten Essplatz neben der Spüle. Wie erwartet begann er zu fressen, bevor ich überhaupt erst die Schüssel abgestellt hatte. „Lass es dir schmecken.“
In freudiger Erwartung auf eine heiße Dusche legte ich meine Kleidung ab, die immer noch kalt an meiner Haut klebte. Betend, dass ich mich nicht erkälten würde, sprang ich unter die Dusche und stöhnte genüsslich auf, als das warme Wasser auf meine Haut prasselte. Stundenlang hätte ich in dieser Position verbringen können, doch da mir Dr. McCartys Worte noch genau in Erinnerung waren, trocknete ich mich bald darauf ab, putzte mir die Zähne und zog mir meinen Lieblingspyjama über.
Kurze Zeit später kroch ich auch schon unter die Decke meines Bettes und seufzte wohlig, als ich spürte, dass Batman sich neben meine kalten Füße gelegt hatte. „Meine kleine persönliche Heizung...“, murmelte ich im Halbschlaf und ließ den Tag noch einmal Revue passieren. Ich hatte viele neue Personen kennengelernt und war darauf gespannt mehr von ihnen zu erfahren. Außer vielleicht von diesem James de „Vollidiot“. Der konnte mir gestohlen bleiben.

~.~
Am nächsten Morgen wurde ich nicht von den Sonnenstrahlen geweckt, wie ich es immer in Jacksonville gewohnt war. Nein, stattdessen holte mich der laute Straßenlärm aus den Federn. Es war kaum zu glauben. Bereits um kurz nach vier Uhr in der Früh waren die Leute hier auf den Beinen und auf dem Weg zur Arbeit. Nun, daran würde ich mich gewöhnen müssen.
Um nicht wieder einzuschlafen, stolperte ich verschlafen ins Badezimmer und machte mich für den Tag fertig. Nach einem anschließenden Frühstück, das aus einer leeren Brotscheibe bestand, verließ ich aufgeregt meine Wohnung. In Gedanken notierte ich, dass ich am Heimweg auf jedenfall noch würde einkaufen müssen.

Es wurde bereits hell, als ich beim Krankenhaus ankam. Einige Assistenzärzte hatten sich bereits in der Eingangshalle eingefunden und unterhielten sich angeregt oder versuchten sich beim Lesen von Medizinbüchern zu entspannen. Zum Glück hatte ich die vorgeschriebene Pflichtlektüre bereits in den Wochen vorher gelesen. So konnte ich jetzt versuchen mich auf andere Dinge zu konzentrieren.
Bella! Wie schön, dass wir uns heute sehen. Gestern musste ich schnell weg.“ Alice tauchte strahlend neben mir auf. „Und? Wie war dein erster Tag?“
Unsicher zuckte ich mit den Schultern, versuchte jedoch ein freundliches Gesicht aufzusetzen. Noch immer war es ungewohnt sich so schnell mit anderen Leuten anzufreunden. „Eigentlich nicht schlecht. Dr. McCarty ist sehr nett und ich denke wir werden gut miteinander auskommen.“
Ach, wie schön! Dr. Cullen ist auch wahnsinnig nett. Die Kinder lieben sie einfach. Ich hoffe, dass ich später nur halb so gut werde wie sie. Dann wäre ich bereits zufrieden.“, flötete die schwarzhaarige Frau und blickte verträumt in die Gegend. „Ich bin ja so gespannt wann wir endlich unsere ersten Patienten zugeteilt bekommen!“
Ich nickte bekräftigend, während ich Rose erblickte, die gerade auf mich zu stolzierte. „Guten Morgen, Rose. Das ist Alice. Alice, das ist Rosalie.“, stellte ich die beiden Frauen einander vor. Ein Blick auf die Uhr über dem Empfang zeigte mir, dass es jeden Moment losgehen würde. Die Nervosität in mir begann langsam aber sicher zu wachsen.
Ah, da kommt Dr. McCarty! Wie schön, er hat wieder diese enge Jeans an...“ Rosalie leckte sich über die Lippen und strahlte unseren Oberarzt begeistert an.
Kopfschüttelnd verabschiedete ich mich von Alice, die von Dr. Cullen auf die Kinderstation gerufen wurde. Dann richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die blonde Frau neben mir. „Er ist unser Vorgesetzter!“, versuchte ich sie davon abzuhalten einen schwerwiegenden Fehler zu begehen.
Rose zuckte jedoch nur gleichgültig mit den Schultern. „Na und. Das Eine schließt das Andere nicht aus, oder? Außerdem finde ich den Namen Emmett echt sexy. “ Erst als Dr. McCarty vor uns stehen blieb, verstummte sie.
Inzwischen hatten sich auch die restlichen der Assistenzärzte der Neurochirurgie bei uns eingefunden. „Guten Morgen, alle zusammen! Ich hoffe ihr habt in dieser Nacht noch ordentlich Energie tanken können, denn die werdet ihr jetzt brauchen.“ Er nahm einige Aktenblätter von einer Stationsschwester entgegen und reichte jedem von uns eine davon. „Jeder von euch ist für den Patienten zuständig, dessen Krankenakte er gerade erhalten hat. Ich möchte, dass ihr euch mit ihnen vertraut macht und versucht sie nicht umzubringen.“ Er zwinkerte uns zu. „Übrigens, getauscht wird nicht! Die Krankenakten wurden euch von der Krankenhausleitung persönlich zugewiesen.“
Während Dr. McCarty sich auf dem Weg zu den Patientenzimmern machte, folgten wir ihm wie brave Lämmer. Ich traute mich kaum auf die Akte in meinen Händen zu schauen, zu groß war die Angst vor dem Versagen.
Willst du nicht nachsehen wen du zugeteilt bekommen hast?“, erkundigte sich Rose neugierig.
Ablehnend schüttelte ich den Kopf, wagte dann jedoch trotzdem einen kurzen Blick. „Ich habe eine 38-jährige Frau mit einer gliösen Zyste im Hirnparenchym.“
Hört sich spannend an.“
Mittlerweile waren wir im Krankentrakt angekommen und es erfolgte eine kurze Visite bei jedem unserer Patienten. Dr. McCarty stellte dem jeweiligen Assistenzarzt diverse Fragen um zu sehen wo genau unser Wissensstand war.
Wie würden sie das Riesenaneurysma dieses Patienten behandeln, Mr. Newton?“ Dr. McCarty musterte Mike auffordernd. „Sie haben gestern doch mehr Entscheidungsfreiheit gefordert. Tja, nun dürfen sie unter Beweis stellen, ob sie dieser auch gewachsen sind.“
Es war offensichtlich, dass Mike nicht genau wusste, was er machen sollte. „Hrm.“, räusperte er sich. „Ich würde eine... eine Operation empfehlen.“
Dr. McCarty verschränkte abwartend die Hände vor der Brust. „Eine Operation. Sehr interessant. Und wie genau würde diese Operation aussehen, wenn ich fragen darf?“
Ich konnte den Schweiß auf Mikes Stirn sehen, obwohl er am anderen Ende des Raumes stand. „Ähm... Eine Operation, die...“
Es sollte vor der geplanten Carotisocclusion eine Anastomose zwischen der A. Temporalis superficialis und einem kortikalen Ast der A. Cerebri media angelegt werden.“, warf jemand neben mir gelangweilt ein. Verwundert erkannte ich, dass es sich bei dieser Person um Rose handelte.
Doch nicht nur ich bewunderte die offensichtlich richtige Antwort. Auch Dr. McCarty starrte sie an, als würde er sie gerade zum ersten Mal sehen. Erst nach einigen Momenten fasste er sich wieder und erwiderte in einem Ton, der aussagte, dass er es selber nicht glauben konnte: „Das ist korrekt.“ Nach einem letzten bewundernden Blick auf meine blonde Freundin, erklärte er dem Patienten, der uns erwartungsvoll anblickte. „Wir werden eine extra-intrakranielle Bypass-Operation durchführen, sobald ein OP frei wird.“
Als wir zusammen zum nächsten Patienten gingen, flüsterte ich Rose zu: „Woher wusstest du das?“
Sie zuckte abfällig mit den Schultern. „Ich bin zwar blond, aber ich hatte auch einen Notendurchschnitt von 1,2 als ich von meiner Universität abgegangen bin. Außerdem habe ich über Aneurysma meine Diplomarbeit geschrieben.“
Irritiert versuchte ich mich wieder auch die Visite zu konzentrieren. Ich selbst hatte ebenfalls einen Notendurchschnitt von 1,2 gehabt. Trotzdem wäre mir diese Behandlungsmethode nie in den Sinn gekommen.
Miss Swan.“
Ich schreckte auf, als ich meine Stimmer hörte. „Ja?“
Dr. McCarty winkte mich nach vorne und wies dann auf die Patientin, die vor mir in ihrem Bett lag. „Wenn sie mir bitte die Krankenakte vorlesen könnten, damit wir uns ein Bild über die Krankheit machen können.“
Nervös nestelte ich an der Akte herum und suchte die gewünschten Informationen. Die schwarze Schrift verschwamm förmlich vor meinen Augen. „Ähm... Die Patientin wurde mit starken Kopfschmerzen und einer langsam progredienten Hemiparese eingeliefert. Im MRT wurde eine Zyste im Hirnparenchym links nachgewiesen.“ Nun brach auch bei mir der Schweiß aus. Obwohl ich genau wusste, dass wir dieses Thema auch in der Universität durchgenommen hatten, wollte mir partout keine Behandlungsmethode einfallen. „Ich würde vorschlagen, dass wir mit... mit einer... ähm... Endoskopie...“ Am liebsten hätte ich mir die Krankenakte gegen die Stirn geschlagen. Normalerweise konnte ich mir alles gut merken und gerade in diesem Moment hatte ich einen Blackout.
Man versucht die Zyste auf endoskopischem Weg zu dem angrenzende Seitenvenrtikel zu drainieren und eine Biopsie aus der Zystenwand zu entnehmen.“, flüsterte mir eine Stimme eindringlich ins Ohr. „Eine endoskopische Fensterung der Zyste zum Seitenventrikel!“
Ohne nachzudenken wiederholte ich das Eingesagte und betete, dass Dr. McCarty es nicht bemerkt hatte. „Sehr gut, Miss Swan. Ich denke die Patientin ist bei ihnen in guten Händen. Machen wir weiter!“
Dankbar wandte ich mich um und erblickte Edward hinter mir, der mich verlegen anlächelte. „Ich dachte du könntest ein wenig Hilfe gebrauchen. Immerhin hast du mir gestern auch geholfen.“
Nicht wissend was ich sagen sollte, erwiderte ich sein Lächeln. Erst jetzt fiel mir auf, dass er das gleiche T-Shirt wie am Vortag trug. Ich runzelte die Stirn, wollte ihn jedoch nicht darauf ansprechen. Dazu kannten wir uns noch nicht gut genug. „Du bist gestern einfach verschwunden.“ Es klang weniger nach einer Frage als nach einer Feststellung.
Ähm... Ja, ich musste mich beeilen. Es tut mir Leid, ich hätte mich wohl verabschieden sollen.“ Obwohl es heute nicht regnete, standen seine Haare trotzdem in alle Richtungen ab. Er versuchte sie glattzustreichen. „Außerdem wollte ich dich nicht stören.“
Bei was?“, erkundigte ich mich
Nervös fummelte er am Rand seines T-Shirts herum. „Du hast dich doch so gut mit James unterhalten.“
Ich schnaubte missbilligend auf. „Das kann man auch anders sehen.“
Da wir am Ende der Visite angelangt waren, ging ich nicht weiter auf Edwards Annahme ein.
Ich möchte, dass sie mir bis spätestens morgen eine Bericht über ihren Patienten schreiben, in dem sie auf die Symptome, die Diagnose und die Behandlung eingehen. Sie haben bis zwei Uhr Zeit sich hier im Krankenhaus um die nötigen Informationen zu kümmern. Danach finden wir uns alle hier wieder ein. Verstanden?“ Dr. McCarty warf einen Blick in die Runde.
Eine Hand erhob sich. „Aber in den Krankenakten steht doch schon alles. Wieso müssen wir das jetzt selber noch einmal schreiben?“
Weil die Krankenakte von einem Arzt geschrieben wurde, der die Assistenzzeit bereits hinter sich hat. Sie wollen das doch auch lernen, nicht wahr? Wenn es nun keine Fragen mehr gibt, können Sie gehen.“ Er klatschte in die Hände. „Los, los! Die Berichte schreiben sich nicht von selbst!“
Wie ein Haufen aufgeschreckter Hühner stürmten alle auseinander.
Ich möchte ja nicht aufdringlich wirken oder so, aber wollen wir zusammenarbeiten?“ Edward hatte sich erneut neben mir eingefunden.
Da ich selber keine Ahnung hatte was ich nun tun sollte, nickte ich. „Gerne.“ Außerdem wollte ich endlich mehr über ihn herausfinden. Vielleicht würde mir das ja während der Zusammenarbeit gelingen...

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